In der Regel benötigen Sie 20 Prozent bis zu einem Drittel des Kaufpreises an Eigenmitteln, damit Sie von der Bank oder Bausparkasse einen Immobilienkredit in Österreich bekommen. In ganz wenigen Ausnahmefällen gewährt Ihnen das Kreditinstitut aber auch ohne Eigenkapital das Geld für den Immobilienkauf. Dieser Beitrag zeigt, wie eine derartige Haus-Vollfinanzierung möglich ist und wo die Grenzen der Kreditinstitute liegen.
Was genau bedeutet Vollfinanzierung?
Bei einer Vollfinanzierung finanziert Ihnen die Bank zumindest den gesamten Kaufpreis einer Liegenschaft (Haus oder Wohnung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen einer 100-Prozent-Finanzierung und 110-Prozent-Finanzierung:
100-Prozent-Finanzierung: Hier bezahlen Sie die Kaufnebenkosten der Immobilie aus Eigenmitteln. Das sind 3,5 % des Kaufpreises an Grunderwerbsteuer, 3,6 % (inkl. USt.) Maklergebühren, Anwalts- bzw. Notarkosten von 2 bis 3 % und die Grundbuch-Eintragungsgebühr von 1,1 %. Den Rest, also den vollständigen Kaufpreis, lassen Sie sich von der Bank mit einem Kredit finanzieren.
110-Prozent-Finanzierung: Der Begriff „110-Prozent-Finanzierung“ bedeutet, dass sogar die Nebenkosten des Immobilienkaufs auf Kredit finanziert werden. Während dem Kaufpreis noch der Immobilienwert entgegensteht, wäre eine Nebenkostenfinanzierung schlichtweg eine „Blankofinanzierung“ ohne Deckung: Die Bank hätte dafür keine Besicherung. Diese Praktik wird aber immer seltener, da hier die Regulatoren, sprich die FMA (Finanzmarktaufsicht Österreich), einen Riegel vorschieben.
Beachten Sie: Auch wenn die Bank den Immobilienkauf ohne Eigenmittel finanzieren würde, ist das trotzdem nicht unbedingt empfehlenswert: Denn die Kreditzinsen können entsprechend teurer werden als bei einer Finanzierung mit Eigenmittelanteil. Zudem hat die FMA mit Wirkung zum 01.08.2022 Mindeststandards für die Vergabe von Wohnbaukrediten zu erlassen (weiterführende Informationen, siehe Neues Gesetz: 20 % Eigenmittel für Wohnkredite). Vorgeschrieben sind ein Mindestanteil an Eigenmitteln von 20 %, eine Kreditlaufzeit von maximal 35 Jahren sowie ein Schuldendienst von maximal 40 % des verfügbaren monatlichen Nettoeinkommens. Zwar wurden fest definierte Ausnahmekontingente für die Kreditinstitute festgelegt. Explizit für eine Vollfinanzierung sind die Chancen dadurch aber erheblich gesunken.
Vollfinanzierung oder doch lieber warten und einen Teil mit Eigenmitteln finanzieren? Mit Hilfe des Infina-Kreditrechners können Sie die möglichen Finanzierungsalternativen durchkalkulieren. Unsere Wohnbau-Finanz-Experten von Infina unterstützen Sie beim Kreditvergleich.
Voraussetzungen für den Immobilienkredit mit Vollfinanzierung
Sofern Hausordnung und Geschäftspolitik der Bank einen Immobilienkredit mit Vollfinanzierung überhaupt zulassen, dann sind dafür folgende Voraussetzungen erforderlich:
Welche Bank bietet die Vollfinanzierung beim Hauskauf?
Theoretisch kann jedes Kreditinstitut dafür infrage kommen, sofern dessen Kreditvergabepolitik dies zulässt. Bei gegebenen Voraussetzungen – also erstklassiger Bonität oder zumindest Simultanhypothek auf einer weiteren unbelasteten Liegenschaft – kann in Ausnahmefällen eine Vollfinanzierung beim Hauskauf möglich sein. Dies werden die betreffenden Banken auf Anfrage auch fallweise prüfen.
Für wen eignet sich eine Wohnungs- oder Haus-Vollfinanzierung?
Eindeutig lässt sich sagen: Eine Vollfinanzierung eignet sich nicht für junge Familien mit knappem Budget, denn diese könnten die erhebliche Zinsbelastung nicht stemmen. Eine bessere Alternative für junge Familien mit wenig Eigenmitteln wären z. B. Unterstützungen durch Bürgschaften von Angehörigen oder Ersatzsicherheiten.
Wirklich geeignet ist eine Vollfinanzierung für alle Kreditnehmer, die aus einer Position der finanziellen Stärke heraus agieren und den Kredit eigentlich gar nicht benötigen würden. Dazu zählen:
- Wohlhabende Privatpersonen, deren Einkommen als hoch und sicher gilt: etwa Ärzte, Rechtsanwälte, renommierte Steuerberater, Top-Manager, höhere Beamte.
- Als Grenzfälle sind Erben von Immobilien einzustufen, die übersiedeln und bei durchschnittlichem bis leicht überdurchschnittlichem Einkommen anstatt Eigenmitteln eine Simultanhypothek anbieten. Für diese besteht – ähnlich wie bei den jungen Familien – die Gefahr zu hoher Zinsen.
- Exkurs: Ebenso Familienstiftungen, die kaum verschuldet sind und nun mittels kleinem Leverage „etwas Dynamik“ ins Portfolio bringen möchten. Zu diesem Zweck kaufen sie Objekte vollständig auf Kredit und Banken werden dabei keine größeren Sorgen haben.
Vorteile einer Haus-Vollfinanzierung
Die Vorteile hängen von der Person oder Stiftung ab, die eine Wohnungs- bzw. Haus-Vollfinanzierung in Anspruch nimmt:
- Privatpersonen oder Stiftungen mit erstklassiger Bonität: Hier ist das Ganze eine Finanzoptimierung, um beispielsweise bei Anlageimmobilien noch einen kleinen Leverage-Effekt zu nützen.
- Wohlhabenden Privatpersonen: Hier geht es um einen liquiditätsschonenden Kauf, da die liquiden Mittel beispielsweise ertragreich an anderer Stelle veranlagt werden können.
Bei Käufern mit geringem Einkommen und ohne Eigenmittel besteht in manchen Fällen der Wunsch, so schnell wie möglich Wohneigentum schaffen, ohne zuvor die erforderlichen Mittel anzusparen. Doch häufig wird vermutlich keine Vollfinanzierung für den Hauskauf möglich sein. Auch zum Schutz der Kreditnehmer selbst ist eine vorherige Ansparphase anzuraten.
Tipps für die Vollfinanzierung: Darauf sollten Sie achten
Wer folgende Punkte beachtet, erspart sich viel Ärger und Sorgen bei der Vollfinanzierung des Hauses oder der Wohnung:
- Fixzinsvereinbarungen
Die Vereinbarung von Fixzinsen über 15 bis 20 Jahre schalten Zinsrisiken längerfristig aus und machen den Kredit kalkulierbar.
- Nachhaltige Leistbarkeit sollte gegeben sein
Dies wird von den Banken im Zuge gesetzlicher Anforderungen geprüft. Die fiktive Kreditrate, die zu einem höheren Zinssatz als dem aktuellen kalkuliert wird (meist 6 bis 8 %), sollte maximal 40 % des Nettoeinkommens ausmachen. Außerdem sollten Sie noch einen Notgroschen für mögliche Zeiten einer Arbeitslosigkeit auf der Seite haben.
- Möglichst lange Laufzeiten;
Je länger die Kreditlaufzeit ist, desto niedriger wird die monatliche Ratenbelastung. Allerdings muss hier die Bank zustimmen. 30 bis 35 Jahre Laufzeit sollten möglich sein.
- Auf Zinsen achten
Wer eine Top-Bonität hat, wird auch bei einer Vollfinanzierung noch mit relativ günstigen Konditionen rechnen dürfen. Für Durchschnittsverdiener kann es hingegen sehr teuer werden.
- Flexible tilgungsfreie Zeiten vereinbaren
Keiner kann in die Zukunft blicken, aber Sie können sich gegen Negativszenarien absichern: Beispielsweise indem Sie mit der Bank vertraglich vereinbaren, in schlechten Zeiten auch mal eine vorübergehende Tilgungspause (z. B. 2 Jahre über die gesamte Laufzeit) einlegen zu können.
Wie hoch sind die Zinsen bei einem Immobilienkredit mit Vollfinanzierung?
Wenn Sie über keinen außerordentlichen finanziellen Hintergrund verfügen können Sie in etwa mit einem knapp 1 % höheren Zinssatz rechnen, wenn Sie anstelle einer Belehnung von beispielsweise 70 % eine Vollfinanzierung suchen. Bei einer Belehnung von 110 % in etwa mit 1,5 % höheren Zinsen. Da dies stark von Ihrer Bonität und der Entwicklung der Zinsmärkte abhängt, kann dies nur eine Indikation zu einer möglichen Größenordnung sein.
Rechenbeispiel: Finanzierungen im Vergleich
Anhand eines Rechenbeispiels können Sie nachvollziehen, wie die monatliche Rate mit zunehmendem Anteil an Fremdkapital und damit höherem Sollzinssatz deutlich größer wird.
Fazit: Mit den empfohlenen 30 % des Kaufpreises an Eigenmitteln zahlen Sie im Beispiel in Pauschalratenform während der ersten 15 Jahre Fixzinsbindung 1.230,24 Euro monatlich. Bei einer 100-Prozent-Finanzierung liegt Ihre monatliche Belastung schon um ca. 676 Euro höher. Wenn Sie sogar noch die 10 % Nebenkosten des Kaufes mitfinanzieren, müssen Sie monatlich eine Kreditrate von 2.240,92 Euro stemmen. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie stark Ihre monatliche Belastung ohne Eigenkapital ansteigt.
Wichtig: Vollfinanzierungen oder Finanzierungen über 100 % des Kaufpreises sind aufgrund der neuen KIM-V nur mehr dann möglich, wenn Sie über eine zusätzliche Besicherung in Form einer weiteren Immobilie verfügen und über ein entsprechend hohes Einkommen verfügen. Dieses muss ausreichen, um die Schuldendienstquote von 40 % Ihres Monats-Nettoeinkommens nicht zu überschreiten.
Ob Wohnung oder Haus: Vollfinanzierung beim Kauf bleibt ein Risiko
Für einen Durchschnittsverdiener ist eine Vollfinanzierung in aller Regel nicht attraktiv. Und selbst wenn die Bank eine solche Finanzierung genehmigt, müssen Sie mit deutlich höheren Kreditzinsen rechnen. Vor allem bei einem Konditionsauslauf (Beleihungsgrad) über 100 % steigen die Zinskosten erneut deutlich. Es wird immer wieder besondere Fälle geben, in welchen eine Vollfinanzierung sinnvoll sein kann, da zukünftig eine deutlich andere finanzielle Situation erwartet wird. Dies wird aber eher die Ausnahmesituation sein.
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