Die Bilanzsummen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Fed geben Auskunft über den jeweiligen Kurs bei der Geldpolitik. Je größer die Bilanz, desto mehr Geld bringt die Zentralbank in Umlauf. Erfahren Sie hier, wie sich die Bilanzsumme der EZB und Fed entwickelt hat und welche Folgen sich für die private Wohnbaufinanzierung ergeben.
Im vergangenen Jahr 2021 hat sich die Bilanzsumme der EZB um 22,7 % vergrößert. Ende Mai 2022 betrug die EZB-Bilanzsumme dann 8,81 Billionen Euro.
Die Bilanzsumme einer Zentralbank zeigt, ob diese aktuell eine expansive oder restriktive Geldpolitik fährt. Wenn Sie über einen Immobilienkauf nachdenken, ist die Geldpolitik aus zweierlei Gründen interessant: Erstens beeinflusst diese die Zinsen und zweitens die Inflation und damit auch die Immobilienpreise.
Kurz gesagt: Steigt die Bilanzsumme an, so bedeutet dies eine Phase expansiver Geldpolitik. Die Leitzinsen (und in Folge auch die Kreditzinsen) sind tendenziell niedrig. Im Gegenzug steigt die Inflation und die (Immobilien-)Preise ziehen an.
Die Bilanzsumme der EZB hat sich seit der Euro-Einführung 2002 massiv vergrößert: Sie betrug Ende 2021 mehr als das Zehnfache des Wertes von 2002. Ähnliches gilt für die Bilanzsumme der US-amerikanischen Fed – diese hat sich in diesem Zeitraum verzwölffacht. Die erhebliche Ausweitung beginnt in beiden Fällen im Jahr 2008, als sich die Finanzmarktkrise abzeichnet und die Zentralbanken mit expansiver Geldpolitik gegensteuern. Der Chart zur Bilanzsumme der Fed und EZB verdeutlicht die Entwicklung.
Bis 2007 nahmen die Bilanzsumme der EZB und Fed nur leicht zu, etwa im Einklang mit dem damaligen Wirtschaftswachstum. 2008 kam es dann zu ersten größeren Anleihekäufen. In diesem Jahr überschritten beide Zentralbanken die Grenze von 2,0 Billionen (Euro bzw. US-Dollar). Mit der Corona-Krise 2020 folgte dann erneut ein sprunghafter Anstieg, sodass die Bilanzsummen von EZB und Fed mittlerweile sich schon in Richtung 9,0 Billionen (Euro bzw. US-Dollar) entwickeln.
Diese Entwicklung der EZB-Bilanzsumme führte unter anderem zu einem erheblichen Anstieg der Immobilienpreise. Sozusagen als „Nebenwirkung“ der expandierenden Bilanzsummen stiegen auch die Preise für Wohneigentum. Wenn Sie vor der Corona-Krise Wohneigentum erworben haben, dann können Sie sich über diese Entwicklung freuen: Höchstwahrscheinlich hat Ihre Immobilie an Wert gewonnen. Allerdings könnte die beschriebene expansive Phase der EZB bald zu einem Ende kommen – und der Leitzins-Verlauf wird wieder nach oben zeigen. Insofern macht es Sinn, sich rechtzeitig mit einer Fixzinsbindung abzusichern.
Auch ein Blick auf die letzten Monate zeigt: Die Entwicklung der EZB-Bilanzsumme ging nach oben. Im vergangenen Jahr 2021 wuchs sie jeden Monat um durchschnittlich 1,73 %. Auch die Bilanzsumme der Fed ist in den letzten 12 Monaten weiter angestiegen.
Im Jänner 2022 blieb die Bilanzsumme der EZB beinahe gleich. Ob dies eine Trendwende in der Geldpolitik einläutet, bleibt noch abzuwarten. Dass die Bilanzsumme einer Zentralbank auch wieder schrumpfen kann, wenn sie zuvor zu stark expandiert ist, zeigte beispielsweise die US-amerikanische Fed in den Jahren 2017-2019. Grundsätzlich ist damit zu rechnen, dass die Zentralbanken wieder zu einer restriktiveren Geldpolitik zurückkehren – nicht zuletzt aufgrund der hohen Inflation. In naher Zukunft drohen deshalb schrumpfende Bilanzsummen bei EZB und Fed.
Wenn die EZB-Bilanzsummen schrumpfen und weniger Geld im Umlauf ist, bedeutet dies folgendes für Sie als Kreditnehmer: Die Banken werden restriktiver bei der Kreditvergabe. Es gelten z. B. strengere Richtlinien hinsichtlich des Anteils an Eigenmitteln und der Laufzeiten. Zusätzlich kommt es mit verbindlicher Wirkung ab 01.08.2022 auch vonseiten der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu einer Verschärfung der Kreditvergabe-Richtlinien für Privatkunden. Falls Sie einen Immobilienkauf planen, sollten Sie also nicht zu lange damit warten.
Aktuell scheint es, dass die Bilanzsummen von EZB und Fed ein Plateau erreicht haben – und eher ein Rückgang als weiteres Wachstum zu erwarten ist. Die EZB hat zwar angekündigt, nach dem Ende der Pandemie-Wertpapierankäufe die Tilgungen der auslaufenden Anleihen noch so lange zu reinvestieren, wie es die wirtschaftliche Situation erfordert. Doch bei anhaltend hartnäckiger Inflation ist es wahrscheinlich, dass die EZB in naher Zukunft einen restriktiveren Kurs einschlagen wird. Dann könnte sich zwar der Immobilienmarkt wieder beruhigen, aber Sie könnten dann mit einer strengeren Kreditvergabe der Banken konfrontiert sein: Denn wenn Geld knapper wird, hat es einen höheren Stellenwert. Dies könnte für Sie als Kreditkunde z. B. höhere Zinsen und eine strengere Bonitätsprüfung bedeuten.
Ob Sollzinsen, Fixzinsen oder variable Zinsen: Unsere Ratgeber liefern Ihnen die Erklärungen zu allen Fragen rund um das Thema Zinsen.
Datenquelle: FRED St.Louis Fed, Europäische Zentralbank
Bildquellen: Infina Grafik
Rechtshinweise zu unseren Ratgebern finden Sie in unserer Verbraucherschutzinformation.
Die Neugier für neue Themen, die die Finanzdienstleistung bewegen, zieht sich wie ein roter Faden durch meine berufliche Laufbahn. Bei AXA Equity & Law war ich für die Markterschließung Österreich sowie die Einführung der betrieblichen Vorsorge zuständig. Im Anschluss daran beschäftigte ich mich als geschäftsführender Gesellschafter von Nova Portfolio Management mit innovativen Vermögensanlage-Konzepten. Seit dem Jahr 2009 bin ich als Prokurist bei Infina schwerpunktmäßig in den Bereichen Product Consulting, sowie der Vertriebs- und Bankenbetreuung verantwortlich. Darüber hinaus liegt mein Fokus auf rechtlichen Fragestellungen und der Analyse von Markt- und Zinsentwicklungen.