Mit „Geldmenge“ bezeichnet man den Geldbestand eines Wirtschaftsraums – jeweils gruppiert in verschiedene Stufen der Liquidität. Sind Sie Inhaber einer privaten Wohnbaufinanzierung in Österreich, dann ist die Entwicklung der Geldmenge im Euroraum entscheidend: Kreditbedingungen sowie auch Zinsen stehen damit in engem Zusammenhang. Erfahren Sie hier, wie sich die Geldmenge aktuell entwickelt und welche Schlussfolgerungen sich für private Kreditkunden ergeben.
Mit 30.04.2022 betrug die Geldmenge M3 im Euroraum 15,7 Billionen Euro. Das entspricht einem Zuwachs von 6,3 % gegenüber dem April des Vorjahres.
Die Steigerung der EZB-Geldmenge M3 hängt eng mit der Inflation zusammen. Sie können also an der Entwicklung der Geldmenge abschätzen, ob eher eine inflationäre Phase vorherrscht – die wiederum mit großzügiger Vergabe von Krediten einhergeht – oder eine disinflationäre Phase mit tendenziell strengeren Kreditvergabe-Richtlinien der Banken und Bausparkassen. Lesen Sie mehr dazu: aktuelle Statistik der Inflation. Zudem haben Geldmenge und Inflation auch Einfluss auf den Leitzins-Verlauf. Bei hohen Inflationsraten kann es sein, dass die Europäische Zentralbank mit restriktiver Geldpolitik reagiert. Dadurch steigt der EZB-Leitzins und infolge auch die Kreditzinsen für Private.
Seit der Euro-Einführung 1999 hat sich die Geldmenge mehr als verdreifacht. Lag diese Ende 1999 noch bei 4,7 Billionen €, so stieg sie bis Ende 2021 auf 15,5 Billionen € an. Dabei gab es unterschiedliche Wachstumsphasen: In den frühen 2000er-Jahren war das Wachstum moderat hoch und die Geldmenge stieg bis Anfang 2008 jedes Jahr um rund 8 % an. Infolge der Finanzmarktkrise 2008 und der Corona-Krise kam es dann jeweils zu einem besonders schwachen bzw. starken Anstieg.
Nach der Finanzmarktkrise 2008 wurden die Richtlinien für die Kreditvergabe strenger und dementsprechend brachten Banken auch weniger Geld in den Umlauf. Das Wachstum der Geldmenge M3 stagnierte – die Geldmenge war 2009 und 2010 sogar leicht rückläufig. Erst ab dem Jahr 2014 war wieder ein stärkerer Anstieg zu verzeichnen. Bis 2019 bewegte sich das Wachstum pro Jahr dann bei 4 bis 5 %.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie führte zu einer starken Änderung der Geldpolitik der EZB. Diese unterstützte die Kreditvergabe stark, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern. Die Geldmenge M3 verzeichnete daher von Anfang 2020 bis Mitte 2021 ein Wachstum mit doppelter Geschwindigkeit im Vergleich zu den Vorjahren. Allerdings sollten Sie im Hinterkopf behalten: Das jüngste M3-Wachstum diente der Krisenintervention und ist von der EZB nur als temporäre Maßnahme angedacht. Sollte diese sich zu einer Schrumpfung der EZB-Bilanzsumme entscheiden und angekaufte Unternehmensanleihen wieder verkaufen, dann ist ein langsamerer Anstieg der Geldmenge zu erwarten.
Betrachtet man die kurzfriste Entwicklung der Geldmenge M3 in den vergangenen 12 Monaten (2021 und 2022), dann zeigt sich: Das vorhin besprochene starke Wachstum infolge der Pandemie verlangsamt sich in der zweiten Jahreshälfte 2021, sowie im ersten Quartal 2022.
Die Entwicklung Ende 2021 und Anfang 2022 deutet darauf hin, dass die EZB den starken Wachstumskurs wieder abbremsen möchte. Voraussichtlich möchte die Zentralbank allmählich zu einer restriktiveren Geldpolitik übergehen. Für Sie als privaten Kreditkunden bedeutet dies: Je stärker sich zukünftig das Wachstum der Geldmenge M3 verlangsamt, desto höher ist Ihr Risiko, dass Kreditinstitute wieder strengere Kreditvergabe-Richtlinien einführen und Sie ggf. für Ihre Wohnbaufinanzierung eine Absage erhalten.
Die Ukraine-Krise seit Februar 2022 und ihre wirtschaftlichen Folgen werden sich allerdings ebenfalls auf die zukünftige Geldpolitik der EZB auswirken. Eine Rückkehr zu einem restriktiveren Kurs – mit geringerem Wachstum der Geldmenge – sowie eine Abkehr vom Nullzins verzögern sich zumindest etwas. Für die private Vergabe von Wohnbaukrediten heißt das: Aktuell können Sie einen Immobilienkauf oder Hausbau noch mit niedrigen Zinssätzen und langer Kreditlaufzeit finanzieren. Das könnte sich jedoch schnell ändern, wenn die EZB die Kehrtwende zur restriktiveren Geldpolitik macht.
Die Entwicklung der Geldmenge im Euroraum gibt Hinweise darauf, welchen Kurs die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Geldpolitik fährt. Infolge der Corona-Krise veranlasste die EZB eine starke Ausweitung der Geldmenge M3, um den Wirtschaftseinbruch abzufedern. Es ist jedoch zu erwarten, dass die EZB dieses – vorübergehend starke Geldmengenwachstum – wieder einbremsen möchte. Dies könnte für Kreditkunden zu strengeren Richtlinien bei der Kreditvergabe führen.
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Datenquelle: Oesterreichische Nationalbank
Bildquellen: Infina Grafik
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Die Neugier für neue Themen, die die Finanzdienstleistung bewegen, zieht sich wie ein roter Faden durch meine berufliche Laufbahn. Bei AXA Equity & Law war ich für die Markterschließung Österreich sowie die Einführung der betrieblichen Vorsorge zuständig. Im Anschluss daran beschäftigte ich mich als geschäftsführender Gesellschafter von Nova Portfolio Management mit innovativen Vermögensanlage-Konzepten. Seit dem Jahr 2009 bin ich als Prokurist bei Infina schwerpunktmäßig in den Bereichen Product Consulting, sowie der Vertriebs- und Bankenbetreuung verantwortlich. Darüber hinaus liegt mein Fokus auf rechtlichen Fragestellungen und der Analyse von Markt- und Zinsentwicklungen.