Autor: Mag. Harald Draxl Kategorie: Zinsen Datum: 18.09.2024
Wie werden sich die Zinsen 2024 und den Folgejahren entwickeln? Seit Anfang 2022 sind die Zinssätze für variabel verzinste Wohnbaukredite deutlich angestiegen. Werden weitere gesetzliche Änderungen Einfluss auf aktuelle und zukünftige Wohnbaukredite haben? Grundsätzlich können Zinsen über kurz oder lang sehr stark schwanken, vor allem in den nächsten 2-3 Jahren sind unterschiedlichste Szenarien denkbar. Unsere Experten liefern Ihnen regelmäßig Informationen zur Entwicklung der Zinsmärkte sowie eine interessante Prognose zur weiteren möglichen Zinsentwicklung.
Zinsen werden von Banken bei Bereitstellung eines Kredites/Darlehens als Entgelt verlangt. Gut zu wissen: Verbraucher sind bei Zinsanpassungen durch den Kreditgeber besser geschützt als Unternehmer.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Arten von Zinsen und alle haben ihre eigene Berechnungsgrundlage. Einige sind so simpel, dass ein Taschenrechner ausreicht, andere hingegen sind viel komplexer. Für diese Fälle gibt es zum Beispiel diverse Zinsrechner im Internet. Man kann zwischen Kredit-, Bausparvertrag- und Sparbuchzinsen unterscheiden:
Tipp: Informieren Sie sich in unserem Ratgeber, wie Sie Ihre individuelle Situation berechnen können:
Wenn Sie einen Kredit in Österreich aufnehmen, müssen Sie eine Gegenleistung bringen. Diese wird im Kreditvertrag meist in Form eines Kreditzinses vereinbart. Kreditzinsen zahlen Sie somit als Gegenleistung für das geborgte Geld, das Sie vom Kreditgeber erhalten.
Bausparvertragszinsen
Im Gegenzug zu den Kreditzinsen erhalten Sie bei Abschluss eines Bausparvertrages die sogenannten Bausparvertragszinsen. Dabei leihen Sie einer der Bausparkassen in Österreich Geld und bekommen im Gegenzug Guthabenzinsen retour.
Sparbuchzinsen
Ähnlich wie bei den Bausparzinsen erhalten Sie bei Eröffnung eines Sparbuches Zinsen von der Bank. Hier leihen Sie der Bank Geld und bekommen dafür Zinsen.
Der EURIBOR-Zinssatz und seine Zinsentwicklung
Im Kreditbereich spricht man häufig von EURIBOR-Zinssätzen. Der EURIBOR ist ein sogenannter Indikator, zu dem sich die Geldhäuser refinanzieren und in weiterer Folge Kreditmittel an den Endkunden oder Firmenkunden vergeben.
Unter Refinanzierung versteht man die Geldbeschaffung der Banken in Österreich, damit sie Kredite vergeben können. Es gibt unterschiedliche Quellen, bei denen sich Banken refinanzieren können. Häufig leihen sich Banken Geld von den Notenbanken wie der Europäischen Zentralbank. Kreditinstitute können sich aber auch über andere Geschäftsbanken oder Sparer refinanzieren.
Bausparkassen refinanzieren sich häufig durch Kundeneinlagen in Form von Bausparverträgen. Aber ganz gleich, woher die Refinanzierung kommt, die Kreditinstitute zahlen dafür ebenso einen Zins und haben somit dementsprechende Zinskosten. Bei der weiteren Kreditvergabe an Kunden verrechnen die Banken dann zusätzlich zu den Zinskosten einen Aufschlag (Marge). Dieser Aufschlag verbleibt bei der Bank und ist die sogenannte Zinsspanne.
Die Zinsentwicklung in Österreich 2023
Die Zinssituation war viele Jahre durch niedrige Zinsen gekennzeichnet. Lange Zeit wogen sich Kreditnehmer und Immobilienbesitzer durch Null- und Negativzinsen in Europa, Japan und den USA in Sicherheit. Seit dem Jahr 2015 gab es sogar Zinsanomalien in Form von sogenannten Negativzinsen, die seit 2019 sogar die sehr langfristigen Zinsen am Markt für Zinstauschgeschäfte (EUR-Swapsätze) erreicht hatten, ehe es 2022 damit vorbei war. Lieferkettenunterbrechungen durch anfängliche Pandemie-Maßnahmen und ab 24. Februar 2022 durch den Ukrainekrieg führten zu Engpässen in der Energieversorgung und Warenknappheit, was zwischenzeitlich massive Anstiege der Inflationsraten zur Folge hatte.
Noch im Jahr 2021 lag die durchschnittliche Inflation im Euroraum bei 2,6 %, ehe diese bis Oktober 2022 auf 10,6 % anstieg, aber im Einklang mit Konjunkturabschwung und sinkenden Rohstoffpreisen bis Dezember 2023 wieder auf 2,9 % zurückging. Die EZB hatte als Reaktion auf hohe Inflationsraten von Juli 2022 ihren wichtigsten Leitzins mehrfach von 0,00 auf 4,50 % angehoben (Stand zum Jahresende 2023). Entsprechend verteuerte sich der Dreimonats-Euribor, wichtigster Indikatorzins für variabel verzinste Kredite in Österreich, von noch minus 0,57 % Anfang Januar 2022 auf 3,91 % zum 31.12.2023 - ein Anstieg um 448 Basispunkte.
Laut Infina Kredit Index (IKI), einer aus zwölf Kreditinstituten bestehenden Marktstichprobe, verteuerten sich innerhalb nur eines Jahres von Anfang 2023 bis Anfang 2024 die nominalen Kreditzinsen für variabel verzinste Wohnbaukredite im Schnitt um 1,71 Prozentpunkte auf 5,10 %. Da die Zinsen am langen Ende bereits früher anstiegen, kam es 2023 wieder zu einer Kreditzinsverbilligung für zehnjährige Fixzinsbindungen in Höhe von 29,4 Basispunkte auf 3,729 %.
Neben den Zinssätzen spielt die aktuelle Situation der einzelnen Bank noch eine Rolle. Müssen Banken sich aufgrund von Bonitätsverschlechterungen teurer refinanzieren, dann werden Sie versuchen, die höheren Kosten auf die Konditionen beim Neuabschluss abzuwälzen. Auch könnten Banken zwischen Kreditnehmern mit besseren und schlechteren Bonitäten unterscheiden und den schlechteren bei Neuabschluss deutlich höhere Zinsen verrechnen.
In Österreich herrschen zudem seit 1. August 2022 folgende Restriktionen in der Vergabe von Immobilienkrediten an Endverbraucher:
Monatliche Kreditrate darf maximal 40 % des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen.
Maximale Laufzeit von 35 Jahren.
Insgesamt dürfen bei einem Kreditinstitut maximal 20 % aller Kredite eine der Obergrenzen überschreiten (Anmerkung: Eine administrative Erleichterung bei den Ausnahmekontingenten ist in Planung).
Die ersten Folgen: Ein Anpassungsprozess innerhalb der Banken, der teilweise mit höheren Ablehnungsquoten verbunden ist. Finanzierungsfälle, die vor dem 1. August 2022 noch genehmigt worden wären, werden heute in vielen Fällen abgelehnt.
Tipp: Lesen Sie mehr in unserem Ratgeber zum Thema aktueller Zinssätze
Die Weltwirtschaft steht an einem kritischen Wendepunkt, an dem Entscheidungen von Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks mit Spannung erwartet werden. Die Hoffnung auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik durch deutliche Zinssenkungen hatte sich zu Beginn des Jahres 2024 als verfrüht erwiesen. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten, gepaart mit den vorsichtigen Äußerungen der Währungshüter, hatten zunächst die erwartete Zinswende mehrere Monate nach hinten rücken lassen. Die beiden ersten kleineren Leitzinssenkungen im Sommer 2024, welche der EZB-Rat am 06. Juni und 12. September 2024 beschlossen hat, ist ein Zeichen dafür, dass die Zinswende in Europa jetzt eingeläutet ist. Auch in den USA wurde am 18. September 2024 eine erste Zinssenkung vorgenommen. Gründe für die immer noch herrschende Zurückhaltung (so hat der EZB-Rat beispielsweise am 18. Juli 2024 den Leitzins unverändert belassen) sind vielschichtig und reflektieren die komplexen Herausforderungen, vor denen die Federal Reserve in den USA und die Europäische Zentralbank (EZB) stehen. Eine sehr schnelle Rückkehr zu niedrigeren Zinsen scheint unwahrscheinlich, da mehrere Faktoren eine derartige Entscheidung beeinflussen. Die Leitzinsen dürften zwar weiter sinken, die Geschwindigkeit aber in einem deutlich langsameren Tempo als beim Anstieg erfolgen.
Unsicherheit durch geopolitische Spannungen und Wahlen
Die geldpolitische Straffung der letzten Jahre beginnt ihre Wirkung zu zeigen, mit einem weiteren Rückgang der Inflationsraten in der ersten Hälfte des Jahres 2024. Doch der Weg zur nachhaltigen Zielinflation von zwei Prozent ist noch nicht gesichert. Geopolitische Unsicherheiten und robuste Arbeitsmärkte erschweren die Vorhersage der mittelfristigen Inflationsentwicklung. Hinzu kommt, dass das Jahr 2024 ein Wahljahr ist, in dem weltweit über die Hälfte der Bevölkerung an die Urnen gerufen wird. Die daraus resultierenden politischen Entscheidungen könnten inflationäre Effekte haben, die eine vorsichtige Haltung der Zentralbanken rechtfertigen.
Zwickmühle USA
In den USA überrascht die Wirtschaft auch 2024 positiv, was die Federal Reserve in ein Dilemma stürzt. Einerseits gibt es Druck, die Wirtschaft von den hohen Zinslasten zu befreien, andererseits birgt eine voreilige Zinssenkung das Risiko, den Kampf gegen die Inflation zu schwächen.
Europas Balanceakt
Die Eurozone hat ihre eigenen Herausforderungen zu bewältigen. Mit einem geringen Wachstum beim BIP im Euroraum im zweiten Quartal 2024 (+0,2 %) gibt es Anzeichen einer wirtschaftlichen Stabilisierung, ein wirtschaftlicher Aufschwung hat aber noch nicht eingesetzt. Die Europäische Zentralbank steht vor der Aufgabe, eine Balance zwischen Wachstumsförderung und Inflationskontrolle zu finden. Die Entscheidung über Zinssenkungen wird datenabhängig sein, mit einem vorsichtigen Ansatz, um keine voreiligen Schritte zu unternehmen. Im Jahr 2024 hat der EZB-Rat in drei Sitzungen den EZB-Leitzins zunächst unverändert bei 4,50 % belassen, bevor er dann eine Absenkung mit Gültigkeit ab 12. Juni 2024 auf 4,25 % entschied. Während am 18. Juli 2024 zunächst keine weitere Leitzinssenkung erfolgte, senkte der EZB-Rat mit Gültigkeit ab 18. September 2024 den Leitzins auf 3,65 %. Ein Teil des niedrigeren Leitzinses folgte aus einer Verringerung der Abstände der einzelnen Leitzinssätze.
Trotz der aktuellen Unsicherheit bleibt der Ausblick für die globale Wirtschaft moderat positiv, mit einem erwarteten Wachstum im Einklang mit dem langfristigen Durchschnitt. Die Inflationsraten dürften weiter sinken, was letztendlich Spielraum für Zinssenkungen bietet. Doch die Entscheidungen der Zentralbanken werden wohlüberlegt und schrittweise erfolgen, um die fragile wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. Die Zinspolitik bleibt somit eine Gradwanderung zwischen der Unterstützung der Wirtschaft und der Sicherstellung der Preisstabilität. Für Anleger und Verbraucher bedeutet dies, sich auf eine Periode der Unsicherheit einzustellen, in der Geduld und eine langfristige Perspektive entscheidend sein werden. Im dritten Quartal 2024 bleibt der breite Marktkonsens bestehen, dass zahlreiche Zentralbanken, einschließlich der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank, vorrangig in der zweiten Jahreshälfte zu Zinssenkungen übergehen werden. Diese Erwartung gründet sich auf die Annahme, dass sich die Wirtschafts- und Inflationsdaten entsprechend entwickeln und den Zentralbanken den notwendigen Spielraum für eine Anpassung ihrer Geldpolitik bieten.
Letztendlich bietet in einer so dynamischen Zinslandschaft nur eine Fixzinsbindung im Bereich Wohnbaufinanzierung Sicherheit. Sofern Sie heute eine bestehende Immobilienfinanzierung mit variabler Verzinsung haben, können Sie mit dem Kredit Entlastungsrechner die Höhe Ihrer zukünftigen monatlichen Rate simulieren, wenn die Leitzinsen weiter steigen.
Kredit Entlastungsrechner
Die Zinsen für Ihre variable Finanzierung sind deutlich gestiegen und Sie haben zunehmend Probleme sich Ihre Kreditrate noch zu leisten? Mit dem Kredit Entlastungsrechner von Infina können Sie sich anzeigen lassen, wie hoch Ihre monatliche Rate konkret bei weiteren Anstiegen des Leitzinses sein wird.
Weiterhin können Sie sehen, welchen Betrag Sie monatlich weniger bezahlen, wenn Sie auf eine neue maximale Laufzeit von 35 Jahren bei gleichzeitiger Absicherung mit einem Fixzinssatz auf 20 Jahre umstellen. Unsere Wohnbau-Finanz-Experten beraten Sie diesbezüglich gerne und helfen Ihnen, Ihre monatliche Kreditrate zu reduzieren.
Bei Immobilienfinanzierungen muss man zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen unterscheiden: Bei einem langfristigen Zinssatz handelt es sich um einen Zinssatz, der über einen längeren Zeitraum (5-30 Jahre) angewendet wird. Kurzfristige Zinssätze beziehen sich meist auf eine Laufzeit von bis zu 12 Monaten. Damit verbundene Finanzierungen gelten daher als variable Kredite und werden laufend angepasst.
Im Einklang mit stark steigenden Zinsen am langen Ende und einer ersten Leitzinsanhebung der EZB drehten die Geldmarktzinssätze reihenweise ins Plus. Dies war auch zu erwarten. Während die Euriborsätze von der EZB relativ gut gesteuert werden können, sofern es keinerlei Verwerfungen am Interbanken-Geldmarkt gibt, ist das Pricing am langen Ende ein wesentlich komplexerer Prozess:
Faktoren sind hier Zins- und Inflationserwartungen, Entwicklung der Bonität von Banken und Staaten (wie agieren die Rating-Agenturen?), aktuelle Inflationsdaten und Konjunkturdaten sowie die Ausgänge von Staatsanleihen-Auktionen. Diese Faktoren trieben bereits seit Anfang 2022 am langen Ende in den USA und Europa die Kapitalmarktzinsen nach oben. Diese frühzeitigen Renditeanstiege am langen Ende eilten Leitzinsanhebungen voraus. Seit Mitte März 2022 hat zum Beispiel die Fed bereits elfmal ihren Leitzins auf 5,25 bis 5,50 % nach oben geschraubt, bevor sie danach mehrere Zinspausen einlegte und am 18. September 2024 eine erste Leitzinssenkung um 0,5 % entschied (Stand: 18.09.2024). Die EZB ließ sich hingegen mit einem ersten Schritt (+0,5 %) bis zum 21. Juli 2022 Zeit. Die Märkte hatten dies jedoch schon im Vorfeld eingepreist. Das bedeutet, die Geldmarktsätze stiegen bereits im Vorfeld an und nahmen das Ereignis vorweg. Insgesamt hat die EZB in zehn Schritten ihren wichtigsten Leitzins von 0,00 % bis 20. September 2023 auf 4,50 % angehoben. Am 26. Oktober 2023, 14. Dezember 2023, 25. Januar 2024, 07. März 2024 sowie 11. April 2024 legte dann auch die EZB fünfmal eine Zinspause ein. Noch vor der Fed erfolgte dann am 06. Juni 2024 die Entscheidung der EZB zu einer Leitzinssenkung auf 4,25 %. Am 18. Juli 2024 hatte der EZB-Rat den Leitzins dann zunächst nochmals unverändert gelassen, bevor er am 12. September 2024 eine zweite Leitzinssenkung entschied.
Waren lange Zeit die Fixzinskredite „eine klare Sache“ für Immobilienfinanzierungskunden, so sah der Markt nach einer Verteuerung um mehr als zwei Prozentpunkte zunächst anders aus. Variablen Zinsen waren wieder attraktiv, doch es blieben hier weiterhin Zinsrisiken. Aktuell sind infolge einer inversen Zinskurve variabel verzinste Immobilienkredite deutlich teurer als langjährige Fixzinsbindungen, was diese auf ersten Blick besonders günstig erscheinen lässt (Stand: 18.09.2024).
Info:
Variable Finanzierungen an Verbrauchern müssen an einen Indikator gebunden sein, der von der Bank anzugeben ist. Die getroffene Zinsvereinbarung kann bis zum Ablauf der Finanzierung vom Kreditgeber nicht einseitig geändert werden. Gegen negative Marktentwicklungen z. B. einen kräftigen Zinsanstieg, kann sich ein Kreditnehmer jedoch nur durch Abschluss einer Zinsabsicherung schützen, wie zum Beispiel mit einer Fixzinsvereinbarung. Der Kreditzins wird dann auf eine Laufzeit von 5-30 Jahren fixiert.
Zinsen berechnen: Das sollten Sie wissen
Möchten Sie Ihre Zinsen selbst berechnen, kann dies unter Umständen ein schwieriges Verfahren werden: Viele Daten, die für die Berechnung nötig sind, stehen Privatpersonen vor dem ersten Gespräch mit der Bank nämlich gar nicht zur Verfügung.
Gut, dass es unseren Infina Zinsrechner gibt. Berechnen Sie kostenlos Ihre Zinsen und ersparen Sie sich damit unnötiges Kopfzerbrechen:
Die Zinsentwicklung in Europa
Die aktuell von den Notenbanken bekämpfte Inflation ist nicht aus einer starken Konjunktur, sondern aus Angebotsverknappung durch zwei externe Schockereignisse hervorgegangen, nämlich Pandemie-Lockdowns und seit 24. Februar 2022 dem Ukraine-Krieg. In der Hoffnung auf baldige Normalisierung der Lage haben die Fed und EZB mit konkreten Zinsschritten lange zugewartet. Von Januar bis Juni 2022 stieg insbesondere infolge höherer Erdgaspreise die Inflationsrate des Euroraums von 5,1 auf 8,6 %, ehe die EZB am 21. Juli 2022 ihre erste Leitzinsanhebung um 0,5 Prozentpunkte beschloss. Sie erhöhte in insgesamt zehn Schritten ihren Hauptrefinanzierungssatz von 0,00 auf 4,50 %, bevor am 06. Juni und 12. September 2024 wieder eine Absenkung auf 3,65 % erfolgte (Stand 18.09.2024). Von Jahresanfang 2022 bis 13. September 2024 stieg der 3-Monats-Euribor von minus 0,57 % auf 3,47 %, was in Österreich variabel verzinste Kredite erheblich verteuerte.
Die Zinsen am langen Ende begannen indessen viel früher zu steigen und nehmen bereits infolge eines Konjunkturabschwungs zukünftige Zinssenkungen vorweg. Da die langfristigen Zinsen zuletzt wesentlich weniger stark anstiegen als die kurzfristigen Geldmarktsätze, resultiert daraus die Marktanomalie einer inversen Zinskurve (Zinsen am langen Ende niedriger). Normalisiert sich diese, verteuert sich voraussichtlich das lange Zinsende.
Mittlerweile ist die Industrie im Euroraum in der Rezession und die Headline-Inflation fiel bis August 2024 seit ihrem Hoch von 10,6 % im Oktober 2022 wieder auf 2,2 %. Auch die Kerninflation hat sich seither von 4,2 % im Oktober 2023 auf 2,8 % (Schnellschätzung) im August 2024 ermäßigt. Allerdings bleiben Restrisiken seitens der Lohninflation und den Rohstoffpreisen. Berücksichtigt man noch geopolitische Risikofaktoren, dann ist szenario-abhängig innerhalb der kommenden sechs Monate unter Umständen nur eine einzige kleine oder auch keine weitere Leitzinssenkung zu erwarten.
Langfristige Zinsprognose: Was kann passieren?
Prognose der Zinsentwicklung bis 2025
Die Ausgangssituation ist komplex. Die US-Wirtschaft ist noch in einer soliden Verfassung. Das BIP-Wachstum beschleunigte sich vom ersten auf das zweite Quartal 2024 erneut von 2,9 auf 3,1 %. Ein solider privater Konsum, Exportzuwächse von 3,4 % und anhaltend hohe Staatsausgaben haben dies ermöglicht. Doch die jüngsten Einkaufsmanager-Index-Daten (von ISM) zeigen eine Kontraktion in der verarbeitenden Industrie und ein moderates Wachstum im Dienstleistungsbereich. Der jährliche Anstieg der Stundenlöhne lag in den Monaten Juli und August 2024 bei 3,6 bzw. 3,8 %, während die US-Arbeitslosenquote im Juli 2024 überraschend auf 4,3 % anstieg, gefolgt von einem Rückgang auf 4,2 % im August 2024. Die für das Inflationsziel der Fed relevante Teuerung der privaten Konsumausgaben ohne Nahrungsmittel und Energie (Core-PCE-Inflation) hielt sich im Juli 2024 auf 2,6 %. Das Stabilitätsziel der Fed liegt bei 2 %. Mittelfristig resultiert daraus ein gewisser Zinssenkungsspielraum.
Zuletzt sogar eine weitere Leitzinssenkung gab es in China, wo die Schwäche des Immobilienmarktes Sorgen bereitet und im zweiten Quartal das BIP-Wachstum von 5,3 % auf 4,7 % zurückging. Analysten rechneten noch mit 5,1 % Wachstum. Zuletzt zeigten offizielle Einkaufsmanager-Indexdaten, dass das Aktivitätsniveau der verarbeitenden Industrie rückläufig ist. Die Einzelhandelsumsätze wuchsen im August 2024 gegenüber dem Vorjahresmonat nur noch um 2,1 % und die Inflationsrate Chinas lag lediglich bei 0,6 %. Die Erzeugerpreise waren mit -1,8 % erneut rückläufig. Da auch der Euro gegenüber dem Chinesischen Yuan stabil blieb, besteht derzeit keinerlei Risiko einer „importierten Inflation“ aus China.
Im Euroraum hat sich die Kontraktion der Industrie zuletzt verstärkt und das BIP-Wachstum lag im ersten und zweiten Quartal 2024 bei lediglich 0,5 bzw. 0,6 %. Das dämpft auch den Preisauftrieb. Industriegüter ohne Energie wiesen noch im August 2023 eine Teuerung von 4,7 % auf. Ein Jahr später sind es nur noch 0,4 %. Auf der anderen Seite fiel im Juli 2024 die Arbeitslosenquote auf ein Rekordtief von 6,4 %. Es herrscht teils akuter Arbeitskräftemangel, weshalb Lohninflation ein Thema bleibt.
Wahrscheinliche Szenarien zur Zinsentwicklung bis 2025
Relativ „klassischer“ Verlauf der Konjunkturzyklen
Typische zu erwartende Konjunkturverläufe ohne größere Interventionen und externe Einflüsse werden sehr gut an den Zinsfutures-Märkten und den daraus abgeleiteten Forward-Kurven reflektiert. Demnach wäre insbesondere nach der ersten Leitzinssenkung der EZB am 6. Juni 2024 im Euroraum eindeutig die Zinswende vollzogen. Die Inflation der Eurozone lag im August 2024 (vorläufiger Wert) nur noch bei 2,2 %. Ein solider Dienstleistungssektor steht einer Kontraktion der Industrie gegenüber. Aus den Daten des am 2. September 2024 veröffentlichten HCOB Einkaufsmanagerindex Industrie Eurozone von S&P Global geht hervor, dass die Auftragseingänge in der Industrie im August 2024 so rasant wie noch nie im bisherigen Jahresverlauf sanken und die Geschäftsaussichten auf ein 5-Monats-Tief abstürzten. Vor allem die Länder Deutschland und Frankreich zeigten Schwäche. Allerdings konnten die Unternehmen erstmals seit April 2023 trotz rückläufiger Umsätze ihre Verkaufspreise anheben. Somit ist – wie auch die EZB erwartet – zwischenzeitlich wieder mit höheren Inflationsraten im Euroraum zu rechnen.
Was preisen in diesem Umfeld die Terminmärkte in der Forward-Kurve ein? Per 16. September 2024 lag der 3-Monats-Euribor mit 3,488 % bereits deutlich unter seinem Hoch von rund 4 %. Damit hat er bereits die jüngste Leitzinssenkung am 12. September 2024 eingepreist. Ebenfalls eine Leitzinssenkung für September haben in den USA die Terminmärkte antizipiert. Die Marktteilnehmer erwarten mittelfristig sowohl in den USA als auch in Europa spürbare Zinssenkungen. So sinkt (per 9. September 2024) die Forward-Kurve im 3-Monats-Euribor bis 11. Dezember 2025 auf 1,96 %, was unter Berücksichtigung der neuen Leitzinsabstände ab 18. September 2024 folgendes Leitzinsniveau für Dezember 2025 implizieren würde: ein Zinssatz für die Einlagenfazilität der EZB von 2,00 % und ein Hauptrefinanzierungssatz von 2,15 (verglichen mit 3,65 % ab 18. September 2024).
Die zweite Inflationswelle und eine längere „Hochzinsphase“
Bleibt das US-Wachstum infolge des privaten Konsums und Fiskaleffekten höherer Staatsausgaben – insbesondere Rüstungsausgaben - noch solide und gelingt China ein umfassendes Konjunkturpaket, das in der Lage ist, über stärkere Wirtschaftskraft die Rohstoffnachfrage zu beleben, dann könnten steigende Energie- und Rohstoffpreise weltweit eine zweite Inflationswelle auslösen. Folgen dann quer durch Europa aufgrund niedriger Arbeitslosigkeit und einer hohen Zahl offener Stellen in wichtigen Ländern stärkere Lohnrunden, dann ist Lohninflation ein Faktor. Mögliche Vorboten: Die Steigerung der nominalen Arbeitskosten pro Stunde lag im Euroraum im ersten und zweiten Quartal 2024 bei 5,0 bzw. 4,7 % und die Teuerung der Dienstleistungen beschleunigte sich von Juli auf August 2024 von 4,0 auf 4,2 %.
Gleichzeitig investieren Unternehmen verstärkt in klimafreundliche Technologien, Künstliche Intelligenz und Industrieautomatisierung. In diesem Szenario lägen sowohl in den USA als auch in Europa die Experteneinschätzungen bezüglich der Leitzinserwartungen falsch. Ein längeres Leitzinsplateau auf einem noch restriktiven Niveau erscheint dann - vor allem im Euroraum - plausibel. Unter Umständen gäbe es nach einer Leitzinssenkung in den USA und einer weiteren im Euroraum dann bis Jahresende 2024 keine erneuten Zinsschritte. Die weiteren Zinssenkungsspielräume würden sich im Euroraum in engen Grenzen halten, voraussichtlich bis Juli 2025 auf maximal 3,00 % im Einlagenzins und maximal 3,15 % im Hauptrefinanzierungssatz. Im Falle einer stärkeren Konjunktur und besonders hartnäckigen Inflation sind - ausgehend von einem im Vergleich zu aktuell im September 2024 etwas niedrigeren Leitzinsniveau - im weiteren Verlauf (bis Jahresende 2025) erneute Leitzinsanhebungen denkbar.
Beschleunigter Abschwung oder neuer externer Schock
China gelingt kein vernünftiges Konjunkturprogramm und immer mehr zeigen sich die Ausmaße von Chinas Immobilienkrise. Europa fällt in eine tiefe Rezession, gefolgt von einer Insolvenzwelle bei Unternehmen. Vereinzelte Banken sind mit hohen Bilanzbereinigungen konfrontiert. Je nach Tiefe der Rezession in Europa führt die EZB stärkere Zinssenkungen durch. Selbst ein Bereich von 1,65 % und darunter wäre dann bis Dezember 2025 im Hauptrefinanzierungssatz möglich. Im Falle eines externen geopolitischen Schocks, wie beispielsweise einer möglichen Besetzung Taiwans durch chinesische Truppen und Unterbrechungen von Lieferketten in der Halbleiterindustrie oder einem Einmarsch russischer Truppen in weitere Gebiete, könnte es anfangs sogar ähnlich wie zu Beginn der Pandemie, überraschend starke Notfallzinssenkungen geben.
EZB-Prognose zur Zinsentwicklung
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss im Euroraum auf Stabilität setzen, um den Wunsch nach einer kontrollierten Inflation umsetzen zu können. Das Inflationsziel liegt bei 2 %. Doch die Volkswirte der EZB rechnen (Stand Juni 2024) heuer noch mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2,5 %. Erst 2026 soll ein Rückgang auf unter 2 % erfolgen. Begleitet werden sollte diese Entwicklung laut EZB-Ausblick von einer moderaten Konjunkturerholung. Das BIP-Wachstum im Euroraum sollte sich von 2024 auf 2025 von 0,9 % auf 1,4 % beschleunigen. Bezüglich der weiteren Vorgangsweise verlautbarte der EZB-Rat im Zuge seiner Sitzung von 18. Juli 2024: „Der EZB-Rat ist entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von 2 % zu sorgen. Er wird die Leitzinsen so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv halten, um dieses Ziel zu erreichen. Die Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus durch den EZB-Rat wird auch in Zukunft von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung erfolgen.
Seine Zinsbeschlüsse werden vor allem auf seiner Einschätzung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation sowie der Stärke der geldpolitischen Transmission basieren. Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest.“
Konkrete Zinsprognosen der EZB existieren nicht. Prognosen zur weiteren Leitzinsentwicklung werden nur von Dritten, also von der EZB unabhängigen Analysten, erstellt. Was es allerdings gibt und intuitiv auch ein mögliches Zinsszenario vermittelt, sind regelmäßige Inflations- und Wachstumsprognosen, die in diesem Ratgeber auch verarbeitet wurden.
Die Zinsentwicklung in den nächsten 20 Jahren
Es können keine Prognosen über Zinsentwicklungen der nächsten 10 bis 20 Jahre aufgestellt werden. Die Kapitalmärkte sind viel zu beweglich. Schon kleinere Krisen können Prognosen über Nacht komplett widerlegen. In den letzten 50 Jahren hat es im Schnitt alle 7-8 Jahre eine merkliche Krisensituation an den Weltfinanzmärkten gegeben. Die letzte Wirtschaftskrise war 2008, also schon vor 16 Jahren. Nun befinden wir uns seit 2023 in einer neuen Krise, in der die Karten letztendlich wieder neu gemischt werden.
Baufinanzierung: Mögliche Zinsprognosen
Da die Inflationsrate in den USA im August 2024 immer noch bei 2,5 % liegt, ist in naher Zukunft eher mit kleineren Leitzinssenkungen zu rechnen. Wahrscheinlicher ist sowohl in den USA als auch im Euroraum ein noch längeres etwas höheres Zinsplateau. Eine erste moderate Leitzinssenkung in den USA wurde am 18. September 2024 durchgeführt. Voraussetzungen für weitere Senkungen sind: Weiterhin rückläufige Inflationsraten, anhaltender Wirtschaftsabschwung oder gar eine Rezession in Europa, Wachstumsdellen in China und den USA und keine Angebotsschocks, die preistreibend wirken (z.B. Stopp russischer Erdgaslieferungen an die EU). Gleichzeitig sollte keine länger anhaltende Lohn-Preis-Spirale losgetreten werden, was eher unwahrscheinlich ist.
Auf der Bankenseite wären zunehmend höhere Risikoaufschläge und Liquiditätskosten ein Gefahrenpotenzial für steigende Zinssätze im Bereich Wohnbaufinanzierung. Vor allem die Zinsspreads zwischen schlechten und guten Bonitäten könnten sich mit weiteren Bankenschieflagen in den USA oder auch Europa ausweiten. Derzeit ändern sich die Finanzierungskonditionen fast täglich, im Einklang mit volatilen Zinssätzen am Markt. Das macht derzeit den Kreditmarkt komplexer und Prognosen schwieriger. Die Wohnbau-Finanz-Experten von Infina informieren Sie aber gerne im Detail hierzu.
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Über den Autor: Mag. Harald Draxl Position: Geschäftsführer
Meine Kreditkompetenz habe ich 1995 durch die Leitung des Gewerbekunden-Centers bei der Creditanstalt AG und seit 1997 als Baufinanzierungs-Spezialist bei der CA Baufinanzierungs-Beratung GmbH aufgebaut. Im Jahr 2002 wurde ich Gesellschafter bei der Infina und ab November 2004 in die Geschäftsführung berufen. Meine Zuständigkeit ist seither die Leitung unseres Vertriebes und der Banken-Kooperationen. Ich beschäftige mich tagtäglich mit den Entwicklungen am österreichischen Kredit- und Immobilienmarkt, um unsere gesamte Vertriebsorganisation stets über die besten Produkte und aktuellen Zinssätze für die Kundenberatungen auf dem Laufenden zu halten.
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